§ 6 Abs. 2 EStG berechtigt, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren, beweglichen Wirtschaftsgütern, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Jahr der Zuführung zum Betriebsvermögen in voller Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 S. 2 EStG) abzusetzen, sofern die Netto-Kosten (ohne Umsatzsteuer) hierfür den Höchstbetrag i.H.v. 410 € nicht übersteigen.
Dieser Höchstbetrag wurde – abgesehen von der Euro-Umstellung 2002 von 800 DM auf 410 € – letztmalig 1964 angehoben. Der Finanzausschuss stellte damals fest, daß er „die seit 1953 bestehende Wertgrenze von 600 DM im Jahr für die Abschreibungsfreiheit bei geringwertigen Wirtschaftsgütern nicht mehr für ausreichend [hält], um den mit der Abschreibungsfreiheit beabsichtigten Vereinfachungseffekt zu erzielen. Die Wertgrenze soll daher auf 800 DM angehoben werden.“ Danach ruhte der angesprochene „Vereinfachungseffekt“ für 53 Jahre und während 14 Regierungen.
Im Zeitalter der EDV-Verarbeitung und Digitalisierung stellt der Verzicht auf die Aufstellung von Abschreibungsreihen bei geringer finanzieller Auswirkung keine wesentliche Vereinfachung mehr dar. Die Verbesserung der Selbstfinanzierung des Unternehmens durch die sofortige Absetzung tritt in den Vordergrund. Auch dieser Zweck ist bereits in der Begründung zum Einkommensteuergesetz 1934 genannt.
Am 07.03.2017 verkündete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), daß die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von bisher 410 € auf 800 € zum 01.01.2018 angehoben werden soll. Nach Ansicht des BMWi sollen hierdurch „kleine Mittelständler und Handwerksbetriebe konkret von Bürokratie und Kosten“ entlastet werden.
Paradoxerweise soll das Gesetzesvorhaben jedoch nicht mit dem Zweiten Bürokratieabbaugesetz umgesetzt werden – wie Begründung und Bezeichnung vermuten lassen -, sondern an das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechtsüberlassungen angehängt werden. Für die Praxis spielt dies freilich keine Rolle!
Rückblickend sei noch auf die Jahre 2008 und 2009 hingewiesen, in denen der Höchstbetrag i.H.v. 410 € auf 150 € abgesenkt (zwingende Sofortabschreibung) und Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von mehr als 150 € und höchstens 1.000 € in einen Sammelposten eingestellt und über 5 Jahre verteilt wurden (Poolabschreibung). 2010 wurde die alte Rechtslage wieder hergestellt und die Poolabschreibung als Alternative zugelassen (§ 6 Abs. 2a EStG).
Mit dem jetzigen Gesetzesvorhaben soll die Poolabschreibung nicht angetastet werden. Jedenfalls rechnet die Bundesregierung infolge der Anhebung der GWG-Grenze auf 800 € bei Beibehaltung der Poolabschreibung mit jährlichen Mindereinnahmen (volle Jahreswirkung) von 0,94 Mrd. € und mit jährlichen Mindereinnahmen von 0,96 Mrd. € bei Abschaffung der Poolabschreibung.